Geschütztes Taschentuch 019

Sudarium officinalis medicinalis

Das Sudarium officinalis medicinalis, rein äußerlich kaum von anderen Exemplaren der Unterart Papiertaschentuch zu unterscheiden, kennzeichnet, neben einem besonders ausgeprägten Sinn für Hygiene, ein nicht minder ausgeprägter Sinn für Disziplin und die erstaunliche Bohrerfestigkeit, zu vergleichen nur mit der Schussfestigkeit von Polizeihunden. So wie das Sudarium officinalis medicinalis natürlich durchbohrt und ein Polizeihund erschossen werden könnte (der Begriff Festigkeit ist hier etwas verwirrend), so ergreift dieses Taschentuch beim Klang eines Zahnarztbohrers ebenso wenig die Flucht, wie ein Polizeihund beim Klang von Schüssen. In vorbildlicher Habachtstellung verharrt das Sudarium officinalis medicinalis neben dem Becken und wartet seinen Einsatz ab.

Das hier gezeigte Exemplar befindet sich keineswegs im Ruhestand, sondern zählt zu den „Freigängern“ des Reservats, kehrt am Ende seines Arbeitstages jedoch zuverlässig hierher zurück.

Ein Problem könnte die Haltung im Reservat werden, wenn dieses Tuch zu alt wird, um seinem Beruf nachzugehen. Sollten sich dann Anzeichen für eine Depression bemerkbar machen, wäre es zwar leicht möglich, dem Sudarium officinalis medicinalis täglich Bohrgeräusche von einem Tonträger vorzuspielen, um es aufzuheitern, dies jedoch könnte bei unseren anderen Schützlingen, deren Vorbesitzer zumeist Menschen mit einer natürlichen Angst vor dem Zahnarzt gewesen sein dürften, zu Nervosität bis hin zu Panik führen. Der Lösung dieser Frage werden wir uns widmen, wenn es soweit ist. Vorläufig müssen wir unsere Besucher bitten, mit dem Foto Vorlieb zu nehmen, welches unsere Fotoreporterin Villa50 am Arbeitsplatz des Sudarium officinalis medicinalis gemacht hat, denn während der regulären Öffnungszeiten des Reservats ist dieses Taschentuch nicht zu besichtigen, sondern geht seinem Blut- und Speichelerwerb nach.

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